Zitat von DefiantXYX
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Zunächst mal gibt es keine Gewaltenteilung, der Herrscher (subsidiär auch der lokale Herrscher) ist also immer zugleich auch Richter in Personalunion (falls nicht an Beamte weiterdelegiert wird). Beispiele für solche „Verhandlungen“ haben wir imho in Westeros auch schon mal gesehen bei Joffrey, aber auch bei Dany oder Bran. Im Prinzip das Hofhalten. Hier kommen teils Bittsteller, aber auch Leute mit Streitfällen vor den Herrscher und dieser entscheidet. Wenn man so will, ist auch der Befehl, den Tommen an Jaime erteilt, letztlich ein Rechtsakt.
Der zweite wichtige Punkt ist, dass es anders als im modernen Nationalstaat mit seinem systematisch kodifizierten (also vereinheitlichten) Rechtssystem eine Mehrzahl von in unterschiedlichen Zeiten und Herrschaftskontexten entstandenen, nebeneinander herlaufenden und sich teils widersprechenden Rechtssphären gibt. In Kontinentaleuropa gab es z.B. neben den Überbleibseln aus dem Römischen Recht noch das kanonifizierte Kirchenrecht.
Dass es auch in Westeros eine Art Kirchenrecht geben dürfte, sehen wir an den Heirats- und vor allem auch den Krönungszeremonien, wenn ich selbige noch korrekt in Erinnerung habe. Inwieweit das Kirchenrecht in einem Kanon schriftlich niedergelegt ist, können wir nicht wissen, die Maester sind ja weltlich und ob es dazu ein kirchliches Pendant gibt, weiß ich gerade nicht. Es wäre aber auch kein Problem, wenn dieses nur mündlich tradiert wäre.
Eine weitere wichtige Rechtssphäre im MA stellt dann natürlich noch das (teils lokal wiederum sehr unterschiedlich ausgeprägte) Gewohnheitsrecht dar. Das musste gar nicht mal niedergeschrieben sein, aber auch das hatte rechtliche Geltung.
Wenn nun also in der mittelalterlichen Gesellschaft von Westeros von einem guest right die Rede ist, dann darf man das durchaus wörtlich und ernst nehmen.
Dass Personen unterschiedlicher Herkunftsregionen dieses Recht kennen und benennen können, zeigt dass es nicht nur lokal bekannt und gültig ist, sondern weit verbreitet. Die Geschichte von Bran deutet zudem daraufhin, dass es auf einer sehr alten Tradition beruht.
Das „committed sacrilege“ könnte auf eine Zugehörigkeit zum Kirchenrecht hindeuten, das ist aber etwas vage. Hingegen zeigt aus meiner Sicht gerade die Formalisierung mit den Worten „Brot und Salz“ (bei einem Adeligen-Treffen werden ja in Wirklichkeit weit edlere Speisen aufgetischt) noch mal zusätzlich den Rechtscharakter des Gastrechts auf.
Davon zu trennen ist dann noch mal (was hier ja auch schon verschiedentlich angesprochen wurde bzw. du selbst auch schon gesagt hast) die Rechtsdurchsetzung.
In einem modernen Rechtsstaat gewährleistet diese der Staat. In einem Gebilde wie Westeros müsstest du dich (s.o.) an den lokalen Fürsten oder gar an den König wenden. Im Falle der Verletzung des Gastrechts bei der Red Wedding hättest du vermutlich ein Problem, wenn du dich an Tommen wendest. Vermutlich ein noch größeres, wenn du das bei Bolton oder Frey „einzuklagen“ versuchst.
Dann bleibt dem kleinen Mann wie so oft nichts anderes als sich mit dem Verweis auf das Jenseits zu trösten nach dem Motto: Wenn´s hier schon keine Gerechtigkeit gibt, so soll er doch wenigstens in der Hölle dafür schmoren.
Noch problematischer wird die ganze Sache mit Recht und Rechtsdurchsetzung allerdings, wenn ein blutiger Bürgerkrieg herrscht und es wie in den Flusslanden aktuell einen quasi komplett rechtsfreien Raum gibt.
Wir könnten das mal mit Falludscha momentan vergleichen. Angenommen dort soll jemand vom IS geköpft werden und du trittst als Einheimischer dazwischen mit den Worten: „Das verstößt gegen die Menschenrechte“, oder: „Das verstößt gegen irakisches Recht“.
Wenn der ISler dir wohlgesonnen ist und dich nicht gleich mit umbringt, wird er dir vielleicht ähnliche Worte zu hören geben wie Sandor in GOT.
Bedeutet das jetzt das es weder Menschenrechte noch irakisches Recht gibt?
Die normale Antwort hierauf wäre: Nein, selbstverständlich gibt diese Rechte, nur sind sie halt hier und jetzt nicht durchsetzbar.
Wenn wir uns auf die philosophische Ebene begeben, könnten wir natürlich schon fragen, inwieweit das Recht als menschliches Konstrukt tatsächlich außerhalb seiner Durchsetzbarkeit existent sein kann, die Beantwortung hinge wohl ein Stückweit von der eigenen Denkrichtung in anderen Fragen ab, aber das führt hier denke ich sowieso eher vom Thema ab.
MfG
FL
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