Zitat von Logan5
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Es geht in erster Linie einfach nicht um die Protagonisten, sondern darum, was in der Geschichte steckt - z.B. um Themen wie Natur, Freiheit, Wildheit, Urtriebe im Gegensatz zu Zivilisation, Gesellschaft, Moderne. Die Figuren übernehmen symbolische Bedeutungen.
Du bist dir schon darüber im Klaren, dass Merian C. Cooper mit der Figur Carl Denham vor allem sich selber portraitiert hat, oder? Cooper war nämlich - wie Denham - damals ein begeisterter Dokumentarfilmer aber kein Regie-Genie, dem man die von dir geschilderten Allegorien und Symbole als Absicht unterstellen könnte. Wenn überhaupt, so waren sie ein zufälliges Nebenprodukt.
Und dir ist auch sicherlich bekannt, dass Peter Jackson einer der besten Kenner und größten Verehrer des 1933er "King Kong" ist und war und dass sein Remake in erster Linie eine Hommage sein sollte?
Natürlich kann Jackson die Ur-Bedeutung von "King Kong" nicht wiederholen. Wir haben nicht mehr 1933. Er kann die Geschichte aber auf eine moderne Art und Weise neu erzählen - mit einem Augenzwinkern. Er wollte die 1933er Geschichte nicht kopieren, sondern neu interpretieren.
Nun kann jeder sagen, dass er das Ergebnis mag oder nicht mag aber rein handwerklich gibt es an Jacksons "King Kong" nichts auszusetzen.
Im Gegenteil. Er hat der Geschichte um den Riesenaffen einen überzeugenden Hintergrund gegeben: King Kong ist augenscheinlich der letzte seiner Art. Eigentlich ein Familien- oder Herdentier (man beachte die Skelette in seiner Höhle), ist er vereinsamt und durch die Vereinsamung aggressiv und psychisch gestört geworden. Daher seine Wut auf die ihm dargebrachten Menschenopfer.
Seine Sehnsucht nach sozialer Geborgenheit projiziert er auf Ann, die er quasi als Ersatz-Affen annimmt, so wie bei uns vereinsamte, alte Leute oftmals nur ihre Katze haben.
Die ganze Welt von Skull Island steht kurz vor dem endgültigen Kollaps und Untergang. Es herrscht Endzeitstimmung. Die Entführung King Kongs von der Insel und sein Tod auf dem Empire State Building stehen daher natürlich auch in Jacksons Remake symbolisch für die Zerstörung der (vermeintlich) feindlichen Wildnis duch die Zivilisation.
Man darf aber ein Remake nicht immer nur durch dieselbe Brille sehen, durch die man das Original betrachtet. Man darf selbst einen legendären Film nicht auf einen zu hohen Thron hieven. Denn oftmals funktioniert er nur dann, wenn man sich innerlich in die Zeit zurückversetzt, in der er gedreht wurde. Der Ur-"King Kong" ist leider kein zeitloses Werk. Die Protagonisten haben die Tiefe von Scherenschnitten. Aber es ist eine tolle Geschichte, die es verdient, neuen Generationen erzählt zu werden. Das tut Peter Jackson.
Man muss einem Remake neue Interpretationsformen erlauben, es als eigenständiges Werk betrachten und ihm die Techniken und Stilmittel des modernen Kinos zugestehen.
Ich denke, das hast du oder derjenige, der dir die Stichworte gab, sträflich vernachlässigt. Du hast Peter Jacksons Film nur oberflächlich wahrgenommen, ohne auf die feinen Zwischentöne und die tiefere Symbolik zu achten. Wobei ich zugeben muss, dass einen der Film beim ersten Anschauen durchaus erschlagen kann. Aber das ändert sich bei mehrmaligem Ansehen.
Jackson ist ein Regisseur, der es schafft, in einem Film sowohl ein Effektfeuerwerk für Popcornesser zu entfachen, als auch eine tiefere, symbolische Ebene für Cineasten einzubauen. Jackson kann Emotionen überzeugend transportieren, die bei einem Steven Spielberg oder George Lucas peinlich wirken würden.
Im Endeffekt kommt es darauf an, ob man sich von all den Effekten blenden lässt und das Ganze als oberflächlichen Klamauk abtut oder ob man sich auf den Film auch in seiner Tiefe einlässt und ihm dazu eine Chance gibt oder nicht.
Die generelle Einstellung: "Das Remake kommt an das Original sowieso nicht ran, daher befasse ich mich gar nicht erst damit" ist aber auf jeden Fall ein klarer Fall von Tunnelblick und Tellerrand als Horizont.
Gruß,
Frank
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