Nürnberg - Im Namen der Menschlichkeit - SciFi-Forum

Ankündigung

Einklappen
Keine Ankündigung bisher.

Nürnberg - Im Namen der Menschlichkeit

Einklappen
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge

    #31
    Ok, es ist echt nicht so einfach zu definieren, wer unter diesen Umständen ein Nazi war. Neben den überzeugten Parteigängern gab es noch genügend Karrieristen, die es natürlich nach dem Krieg einfacher hatten für neue Herren und Ziele zu arbeiten. Bei den "Funktionseliten" kommt aber die Frage dazu, ob sie nicht ihre Ideologie geändert haben, ihre Ziele und insbesondere die Methoden beibehalten haben. So ist es z.B. schon interessant, dass es im Verfassungsschutz viele gab, die zuvor für die Gestapo oder SS gearbeitet haben und die Teile der Spitzel in der NPD schon vor deren Gründung angeheuert worden war. Und dann bis vor kurzen in leitenden Funktionen waren. Natürlich muss dies erstmal genauer untersucht werden (was meines Wissens nicht gemacht worden ist), aber dies könnte z.B. ein Hinweis auf Versuche sein, die Ideologie am Leben zu halten. Mal weg von den Spekulationen

    Bemerkenswert an den "Funktionseliten" ist doch gerade, dass sie in grosser Zahl der Weimarer Republik gegenüber feindlich eingestellt waren und mit der Ideologie der Nazis sympathisiert haben. Sie waren es doch genau, die den Nazis fast überhaupt keinen Widerstand entgegengesetzt haben. Die einzige Ausnahme sind Leute wie Stauffenberg, die wahrscheinlich angesichts der drohenden Niederlage im wesentliche taktische Differenzen mit der Nazi-Führung hatten (oder ist Stauffenberg als glühender Demokrat und Anti-Rassist bekannt?). Und genau diese Leute blieben in der BRD auf den gleichen Positionen. Die ganzen Industriellen und Banker, die nie für ihre Verbrechen belangt wurden, muss ich wohl kaum mehr erwähnen.

    Wenn du schon die damaligen Fälle untersuchst: aus welchen Schichten kamen die Angeklagten mehrheitlich? Was für Funktionen hatten sie im III. Reich?
    Resistance is fertile
    Für die AGENDA 3010! 30-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich und 10 Euro gesetzlichem Mindestlohn!
    The only general I like is called strike

    Kommentar


      #32
      Original geschrieben von max
      Bemerkenswert an den "Funktionseliten" ist doch gerade, dass sie in grosser Zahl der Weimarer Republik gegenüber feindlich eingestellt waren und mit der Ideologie der Nazis sympathisiert haben. Sie waren es doch genau, die den Nazis fast überhaupt keinen Widerstand entgegengesetzt haben. Die einzige Ausnahme sind Leute wie Stauffenberg, die wahrscheinlich angesichts der drohenden Niederlage im wesentliche taktische Differenzen mit der Nazi-Führung hatten (oder ist Stauffenberg als glühender Demokrat und Anti-Rassist bekannt?). Und genau diese Leute blieben in der BRD auf den gleichen Positionen. Die ganzen Industriellen und Banker, die nie für ihre Verbrechen belangt wurden, muss ich wohl kaum mehr erwähnen.

      Wenn du schon die damaligen Fälle untersuchst: aus welchen Schichten kamen die Angeklagten mehrheitlich? Was für Funktionen hatten sie im III. Reich?
      Naja, das macht die Funktionseliten aber noch nicht zu "Nazis", auch wenn es einfacher ist, ihnen dieses Etikett anzuheften.
      Dass viele der WR feindlich gegenüberstanden, stimmt sicherlich. Aber - wie es schon 1956 so schön mal aufgeschrieben wurde: Bonn ist nicht Weimar.
      Man darf nicht übersehen, dass der WW2 und das "Dritte Reich" eine starke Veränderung in der Gesellschaft mit sich brachten und vielen Konservative die Demokratie erst schmackhaft und akzeptabel machten. Die "Ostelbier" z.B., wo du Stauffenberg erwähnst, gab es nach dem Ende des Krieges nicht mehr. Ihre wirtschaftliche Grundlage war nicht mehr existent (sie gehörte nun zu Polen) und entsprechend gingen sie in der Masse der Flüchtlinge unter, ohne jemals wieder als wirkungsmächtige politische Kraft aufzutreten.
      Ebenso verschwanden andere, vor dem Weltkrieg noch wirksame Spaltungen. Z.B. die Konfessionelle: D-West zeigte nach 1945 ein Verhältnis zwischen Katholiken und Protestanten von 50/50 - vor dem Krieg war es 33/66. Die scharfe gesellschaftliche Trennung zwischen "Arbeitern" und "Angestellten" löste sich auf, die Bevölkerungsverschiebungen führten zu einer Durchmischung der Bevölkerung und taten das ihrige, alte Sozialmilieus zu verwischen.
      Es gab keine konfessionellen Spaltungen mehr in den politischen Parteien, noch in den Gewerkschaften.

      Man muss da eben vorsichtig sein: Nicht jedem Heil-Schreier von 33 war klar, dass Deutschland 12 Jahre später in Trümmern lag - vom Holocaust ganz zu schweigen. Viele durchlebten während des Krieges starke Phasen der Ernüchterung.

      Welche Personenkreise nun am ehesten zur Verantwortung gezogen wurden, kann ich noch nicht sagen. Das kommt auf die Art der Prozesse an. Beschuldigt wurden in erster Linie Parteiamtsträger, also die örtlichen Führer der SA, SS und NSDAP. Daneben wurden aber - in Denunzationsfällen - auch Hausfrauen, Lehrer, Wirte etc. beschuldigt. Zwischen Beschuldigung und rechtskräftiger Verurteilung lag wiederum ein langer Weg, der erstmal für die ca. 60 Prozesse nachvollzogen werden muss.
      Republicans hate ducklings!

      Kommentar


        #33
        Original geschrieben von Endar
        Aber - wie es schon 1956 so schön mal aufgeschrieben wurde: Bonn ist nicht Weimar.
        Das stimmt sicher. Die Entwicklung der BRD ist komplett anders verlaufen, als die der Weimarer Republik. Eine grosse Rolle dabei, dass die Akzeptanz der BRD höher war, hat sicher der Nachkriegsboom geführt. Bis in die 70er Jahre ist der Lebensstandard aller kontinuierlich gestiegen.

        Und es stimmt sicher auch, dass die Ideen der Nationalisten stark durch die Erfahrungen der Nazi-Zeit in Verruf gerieten. Die bürgerlichen Parteien war so diskreditiert, dass keine es gewagt hat unter alten Namen sich wieder aufzubauen. Dies ist wohl auch ein Grund dafür, dass das Zentrum als spezielle katholische Partei verschwand, da sie ein Grossteil der bürgerlichen Politiker sich in der Union sammelte. Die konfessionellen Spaltungen haben aber meiner Meinung nach nichts zu dem Untergang der Weimarer Republik beigetragen. Die Schwäche der Regierungen in der Endphase hat nicht ihre Ursache in der Zersplitterung der Parteienlandschaft. Ihre Schwäche war durch die Unfähigkeit der bürgerlichen Parteien (und der SPD) bedingt, eine erfolgreiche Politik gegen die wirtschaftliche Krise zu machen. Unter ähnlichen wirtschaftlichen Bedingungen wird wahrscheinlich auch das Parteiensystem der BRD zerstört werden, was heute ja schon Auflösungserscheinungen zeigt (schwere Verluste in den Wahlen bei den Stammwählern, sinkende Wahlbeteiligungen).

        Die Auflösung der Spaltung in Angestellte und Arbeiter ist übrigens durch die Proletarisierung der meisten Angestellten verursacht, d.h. der Angleichung der Lebensumstände. Z.B. verdienen die meisten Angestellten heute weniger als Facharbeiter, sie haben also ihre Privilegien verloren.

        Ein interessante Fragestellung wäre, ob der Umschwung des politischen Klima in den 50ern im Vergleich zu der zweiten Hälfte der 40er Jahre dazu beigetragen hat, dass sich die Funktionselite mit der BRD identifizierte. Während Ende der 40er linke Ideen dominierten und antikapitalistische Punkte sogar im Ahlener Programm der CDU (1947) auftauchten, sind die 50er durch Antikommunismus und eine antiliberale Geisteshaltung geprägt gewesen. Diejenigen, die schon unter den Nazis Kommunisten jagten, durften dies in der BRD als BKA-Menschen, Verfassungsschutzler, BND-Spitzel etc. erneut machen. Das ganze korreliert auch mit der Entnazifizierung. In den 40ern gab es ernsthafte Schritte in diese Richtung, die in den 50ern zum grossen Teil wieder rückgängig gemacht wurden. Das politische Klima der 50er war aber sich nicht der einzige Grund. Die Diskreditierung der nationalistischen Ideen und der wirtschaftliche Aufschwung waren sicher ähnlich bedeutsam.

        @Endar: Da deine Doktorarbeit sich auf eine eher ländliche Region bezieht (?), wäre ein Vergleich zu einer Grossstadt sicher interessant, da dort die politischen und soziale Verhältnisse anders sind. Es wäre interessant, ob dort auch der Grossteil der Verfahren gegen Parteifunktionäre und Denunzianten war oder ob ein grösseres Gewicht auf den wirtschaftlichen Profiteure des Naziterrors gelegt wurde (zumindestens in den 40ern).
        Resistance is fertile
        Für die AGENDA 3010! 30-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich und 10 Euro gesetzlichem Mindestlohn!
        The only general I like is called strike

        Kommentar


          #34
          Original geschrieben von max
          @Endar: Da deine Doktorarbeit sich auf eine eher ländliche Region bezieht (?), wäre ein Vergleich zu einer Grossstadt sicher interessant, da dort die politischen und soziale Verhältnisse anders sind. Es wäre interessant, ob dort auch der Grossteil der Verfahren gegen Parteifunktionäre und Denunzianten war oder ob ein grösseres Gewicht auf den wirtschaftlichen Profiteure des Naziterrors gelegt wurde (zumindestens in den 40ern).
          Ich habe bereits Urteile aus Hamburg, Dortmund, Köln etc. in der Hand gehabt, also aus der gesamten britischen Zone. Einen großen Unterschied habe ich dort auf den ersten Blick nicht feststellen können.
          Allerdings sind in meinem LG-Bezirk weniger Fälle gegen Kriegsverbrecher verhandelt worden, die ohnehin in der ersten Phase allein durch alliierte Gerichte verhandelt wurden und somit aus meiner Untersuchung herausfallen und deren Unterlagen ich auch ohne weiteres gar nicht einsehen kann, weil sie nicht in Deutschland lagern.
          Fälle, die Marinerichter betrafen - oder die Seefahrt allgemein - konzentrieren sich natürlich auf Hamburg, aber sonst sind die Arten der Prozesse im wesentlichen ähnlich. Wirtschaftliche Profiteure sind aber auch nicht - wenn überhaupt - nach dem Kontrollratsgesetz Nr. 10 angeklagt worden. Was Arisierungen anbetraf, war ein ganz anderes Verfahren zuständig, nämlich WGM - Wiedergutmachung. Und da waren dann auch wiederum Beamte dabei, die als Nicht-Pgs keine Beförderung erhalten haben z.B.
          Manager etc., von den paar Parade-Bankern aus Nürnberg einmal abgesehen, hatten ohnehin nur die Entnazifizierung zu überstehen und dort konnte man innerhalb von 2 Jahren - als vorgeblich rein unpolitisch wirtschaft Treibender - alle Sperren abschütteln.
          Republicans hate ducklings!

          Kommentar


            #35
            Noch was dazu, dass die bundesdeutsche Justiz auf dem rechten Auge blind blieb:

            Seit dem 8. Mai 1945 wurden von der westdeutschen Justiz Ermittlungs- und Vorermittlungsverfahren gegen 106.496 Personen eingeleitet, von denen lediglich 6.495 rechtskräftig verurteilt wurden. Die Verfahren gegen 102.223 Verdächtige endeten mit Verfahrenseinstellungen oder Freisprüchen, deren Begründungen teilweise äußerst fragwürdig erschienen. Seit Gründung der Bundesrepublik wurden lediglich 157 Angeklagte zu lebenslänglicher Haft verurteilt; alle anderen erhielten zeitige Zuchthaus- oder Freiheitsstrafen.

            Quelle: Eine kurze Bilanz von 50 Jahren bundesdeutscher Strafverfolgung von NS-Verbrechen von Michael Greve
            Sehr viele Nazis entgingen einer Bestrafung, weil die Vefahren jahrelang oder sogar jahrzehntelang verschleppt wurden und die Justiz die Verfahren dann aus gesundheitlichen Gründen (hohes Alter der Angeklagten) einstellen konnte.
            Resistance is fertile
            Für die AGENDA 3010! 30-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich und 10 Euro gesetzlichem Mindestlohn!
            The only general I like is called strike

            Kommentar


              #36
              Naja, das ist mal wieder eines von diesen Generalurteilen.

              Man muss die Sache aber schon etwas detaillierter betrachten, um fair zu bleiben.
              Es passt vielleicht besser in dein Weltbild, aber es liegt nicht einfach immer nur an bösen Staatsanwälten, die extra Verfahren verschleppen, um Nazis frei ausgehen zu lassen.
              Republicans hate ducklings!

              Kommentar


                #37
                Die von dir gequoteten Zahlen sind ohne das entsprechende Hintergrundwissen nicht verständlich bzw. nicht vernünftig in einen historischen Zusammenhang einzuordnen.
                Du musst z.B. auch einmal genauer gucken, was für Delikte in den 100.000 Verfahren zur Debatte standen, wann die Verfahren geführt wurden, etc.
                Wir leben hier immer noch in einem Rechtsstaat. Und zu einem Rechtsstaat gehört es, dass ein eindeutiger Schuldnachweis zu führen ist. Und dieser Schuldnachweis ist leider nicht immer so einfach zu führen gewesen. Und in einem System, in dem im Zweifel zugunsten des Angeklagten Recht gesprochen wird, gilt das auch zugunsten von Angeschuldigten von NSG-Verfahren.
                Wenn man eben keine gerichtsverwertbaren Zeugenaussagen hat, hat man keine gerichtsverwertbaren Zeugenaussagen. Und das war nicht selten.

                Man darf auch nicht vergessen, dass viele der Beschuldigten bis zu ihrem Prozess von 1945 an in Internierungs- und Untersuchungshaft saßen, teilweise bis zu 4 oder 5 Jahre lang, was dann widerum das zu erwartende Strafmaß den meisten Fällen ohnehin überschritt.

                Das Versagen der politischen Abrechnung mit dem Nationalsozialismus in der Bundesrepublik ist eine Frage der Politik, nicht der Justiz.

                Es gibt natürlich genügend Fälle, in denen Staatsanwälte Ermittlungen verschleppten (besonders nach 1960), aber ich kann diese Generalverurteilungen nicht gut ab, denn: Es ist ziemlich billig, immer den Staatsanwälten bzw. der Justiz die Schuld zu geben, wenn die Politik durch Rahmensetzung durch Straffreiheitsgesetze u.a. eine Strafverfolgung unmöglich gemacht wurde.
                1949 kam es zu einem StrFG, das eine Einstellung der Verfahren anordnete für alle Delikte, die mit bis zu einem halben Jahr Gefängnis bedroht waren. Ja und ist das dann die Schuld der Justiz, wenn das dann auch umgesetzt wird?
                Republicans hate ducklings!

                Kommentar


                  #38
                  Ich habe gelesen, dass viele derer, die in den Nürnberger Prozessen und anderen dieser Art, Anfang der Fünfziger Jahre oft schon begnadigt wurden.
                  Woran lag denn dann das?
                  Im vorzeitigen Ruhestand.

                  Kommentar


                    #39
                    In erster Linie an der politischen Stimmung.
                    Bereits um 1948 begannen die ersten Hoffnungen auf ein Straffreiheitsgesetz im großen Stil zu keimen, welches zum 31.12.1949 in Kraft trat, mit Zustimmung der Westalliierten übrigens.
                    Das ist aber für einen Sonntagabend ein recht umfangreiches Thema, weil ich da recht weit ausholen müsste.
                    Republicans hate ducklings!

                    Kommentar


                      #40
                      Was ich nicht so recht begreifen kann ist der Freispruch von Papens. Immerhin hat er die Machtergreifung Hitlers in Österreich vorbereitet und hat auch in einigen Parolen die Wesensgleichheit von Katholiziosmus und Nationalsozialismus propagiert.
                      Für meine Königin, die so reich wäre, wenn es sie nicht gäbe ;)
                      endars Katze sagt: “nur geradeaus” Rover Over
                      Klickt für Bananen!
                      Der süßeste Mensch der Welt terra.planeten.ch

                      Kommentar


                        #41
                        Also soweit ich über von Papen informiert bin, hat er das nicht getan bzw. welche Schriften meinst du?

                        In der Marburger Rede von 1933 - gehalten nach dem 30. Januar - warnte er eindeutig vor den "Auswüchsen" der Brutalität. Geschrieben wurde die Rede von Edgar Jung, der dann am 30. Juni 1934 "nebenbei" mit der SA-Spitze ermordert wurde. Dabei ging dazu die Geschichte, dass wenn Papen zuhause gewesen wäre, er ebenfalls umgebracht worden wäre. Wie auch immer,
                        1947 wurde von Papen in einem Spruchkammerverfahren zu acht Jahren Arbeitslager verurteilt und zum Einzug seines Vermögens verurteilt, erreichte 1949 in einem Revisionsprozess aber seine sofortige Freilassung und die Verringerung der Geldstrafe. Das ging dann weiter bis vors BVG, welches ihm 1968 letztgültig die Auszahlung seiner Rente verweigerte.

                        Jedenfalls konnte Herrn von Papen als Botschafter in Wien und Ankara in Hauptkriegsverbrecherprozess wohl nicht eine entscheidende Beteiligung an der Vorbereitung des 2. Wk nachgewiesen werden. Und daher resultierte dann wohl auch der Freispruch, aber da bin ich nicht so sicher, was Nürnberg anbetrifft, kenne ich mich nicht ganz so gut aus.

                        Es gab neben dem Hauptkriegsverbrecherprozess übrigens noch die Nachfolgeprozesse: den Ärzteprozess, den Milch-Case (Erhard Milch), den Juristenprozess und einige andere, insgesamt 12.
                        Daneben gab es die Spruchgerichtsverfahren in der britischen Zone: Dort wurde Organisationsverbrechen verhandelt, also Angehörige der als verbrecherisch deklarierten Organisationen abgeurteilt. Das Verfahren gegen von Papen lief aber wohl auch in Nürnberg, also weiss ich nicht, ob hier eine Anklage nach Organisationsverbrechen oder wg. Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder weswegen auch sonst lief. Vielleicht war es auch ein einfaches Entnazifizierungsverfahren.
                        Republicans hate ducklings!

                        Kommentar


                          #42
                          Von Schriften hatte ich nichts gesagt, lediglich von Parolen. Eine Aussage davon ist z.B. "Die Strukturelemente des Nationalsozialismus sind nicht nur der katholischen Lebensauffassung nicht wesensfremd, sondern sie entsprechen ihr in fast allen Beziehungen." Das Zitat entstammt einer Rede, die er am 9. November 1933 in der Messehalle Köln gehalten hat.

                          Aus derselben Rede stammt auch: "Die Bischöfe, die Nachfolger der Apostel und die Vertreter des Heiligen Stuhles, bekräftigen durch einen in die Hände der obersten Stsstsbehörden abgelegten Eid in feierlicher Entschiedenheit ihre Zusammenarbeit mit dem neuen Reich".

                          Ich denke, dass diese Aussagen zumindest in Hinsicht auf Anklagepunkt 1 (Verschwörung gegen den Weltfrieden) bedenklich sind.
                          Für meine Königin, die so reich wäre, wenn es sie nicht gäbe ;)
                          endars Katze sagt: “nur geradeaus” Rover Over
                          Klickt für Bananen!
                          Der süßeste Mensch der Welt terra.planeten.ch

                          Kommentar


                            #43
                            Das mag natürlich sein, aber er ist spätestens 1934 von der Bühne verschwunden und nach Österreich abgeschoben worden, da war der Steigbügelhalter Papen dann weg und fertig.
                            Und die Anklage in Nürnberg hatte sicher eine etwas engere Vorstellung von "Verschwörung gegen den Weltfrieden" als das Halten von Reden in der Anfangszeit.

                            Man muss hier auch zwischen der moralischen und der juristischen Schuld unterscheiden und viele werfen das in einen Topf.
                            Republicans hate ducklings!

                            Kommentar


                              #44
                              Original geschrieben von Endar
                              Naja, das ist mal wieder eines von diesen Generalurteilen.

                              Man muss die Sache aber schon etwas detaillierter betrachten, um fair zu bleiben.
                              Es passt vielleicht besser in dein Weltbild, aber es liegt nicht einfach immer nur an bösen Staatsanwälten, die extra Verfahren verschleppen, um Nazis frei ausgehen zu lassen.
                              Der Kommentar war von mir unter dem Eindruck des Verfahrens gegen Herbertus Bikker und ähnlicher Verfahren in den letzten Jahren geschrieben worden. Wenn es um Mord (und sogar Völkermord) geht, kann es auch nicht sein, dass diese Taten unter Straffreiheitsgesetze fallen oder durch die Internierungslager und Untersuchungshaft die Strafe bereits abgesessen war. Natürlich ist die mangelhafte Entnazifizierung nicht alleine durch die Justiz verursacht worden, die selbst nicht richtig entnazifiziert wurde.

                              Selbst wenn endar dies jetzt wieder als Generalurteil bezeichnen wird: es gibt meiner Meinung nach drei Phasen:
                              1.) Die unmittelbare Nachkriegszeit, als es wirkliche Bemühungen zur Entnazifizierung gab, deren Höhepunkt wohl die Nürnberger Prozesse waren, deren Anklageschriften heute noch relevant sind (und sich auch teilweise gegen Bush & Co eignen würden).
                              2.) Der Beginn des Kalten Kriegs, als die Entnazifizierung grösstenteils eingestellt wurde bzw. sogar rückgängig gemacht wurde, da die "Funktionseliten" für den Aufbau der Sicherheitsapparate und des Militärs gebraucht wurden. In einem antikommunistischen Klima wurden die Verbrechen der Nazis eher verklärt, meist aber einfach totgeschwiegen.
                              3.) Eine neues Interesse an der Entnazifizierung durch die 68er, die aber, wie der Prozess gegen Bikker oder der Umgang mit den griechischen Opfern der Nazis zeigt, immer noch verzögert wird und auf andere Hindernisse stösst. Selbst wenn es heute gelingt die Verfahren wieder neu aufzurollen, ist oft einfach zu spät, da die damaligen Täter zu alt geworden sind.
                              Resistance is fertile
                              Für die AGENDA 3010! 30-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich und 10 Euro gesetzlichem Mindestlohn!
                              The only general I like is called strike

                              Kommentar


                                #45
                                Zitat von max
                                Der Kommentar war von mir unter dem Eindruck des Verfahrens gegen Herbertus Bikker und ähnlicher Verfahren in den letzten Jahren geschrieben worden. Wenn es um Mord (und sogar Völkermord) geht, kann es auch nicht sein, dass diese Taten unter Straffreiheitsgesetze fallen oder durch die Internierungslager und Untersuchungshaft die Strafe bereits abgesessen war. Natürlich ist die mangelhafte Entnazifizierung nicht alleine durch die Justiz verursacht worden, die selbst nicht richtig entnazifiziert wurde.

                                Selbst wenn endar dies jetzt wieder als Generalurteil bezeichnen wird: es gibt meiner Meinung nach drei Phasen:
                                1.) Die unmittelbare Nachkriegszeit, als es wirkliche Bemühungen zur Entnazifizierung gab, deren Höhepunkt wohl die Nürnberger Prozesse waren, deren Anklageschriften heute noch relevant sind (und sich auch teilweise gegen Bush & Co eignen würden).
                                2.) Der Beginn des Kalten Kriegs, als die Entnazifizierung grösstenteils eingestellt wurde bzw. sogar rückgängig gemacht wurde, da die "Funktionseliten" für den Aufbau der Sicherheitsapparate und des Militärs gebraucht wurden. In einem antikommunistischen Klima wurden die Verbrechen der Nazis eher verklärt, meist aber einfach totgeschwiegen.
                                3.) Eine neues Interesse an der Entnazifizierung durch die 68er, die aber, wie der Prozess gegen Bikker oder der Umgang mit den griechischen Opfern der Nazis zeigt, immer noch verzögert wird und auf andere Hindernisse stösst. Selbst wenn es heute gelingt die Verfahren wieder neu aufzurollen, ist oft einfach zu spät, da die damaligen Täter zu alt geworden sind.
                                Ich müsste sehr weit ausholen, deswegen lasse ich einige Feinheiten weg.
                                Was ich als Generalurteil bezeichne, ist deine Schlussfolgerung aus den Zahlen von Greve.

                                "Seit dem 8. Mai 1945 wurden von der westdeutschen Justiz Ermittlungs- und Vorermittlungsverfahren gegen 106.496 Personen eingeleitet, von denen lediglich 6.495 rechtskräftig verurteilt wurden. Die Verfahren gegen 102.223 Verdächtige endeten mit Verfahrenseinstellungen oder Freisprüchen, deren Begründungen teilweise äußerst fragwürdig erschienen. Seit Gründung der Bundesrepublik wurden lediglich 157 Angeklagte zu lebenslänglicher Haft verurteilt; alle anderen erhielten zeitige Zuchthaus- oder Freiheitsstrafen."

                                Das sind nichts anderes als Zahlen und um sie zu verstehen (über das Offensichtliche hinaus - denn das Offensichtliche muss nicht stimmen!), braucht man Fakten und mehr Information.

                                (Greve bringt hier die Zahlen der deutschen Justiz, während die Entnazifizierung ein eigenständiger Vorgang war und mit der deutschen Justiz organisatorisch nichts zu tun hatte. Die Entnazifizierung war eben nur ein Teil der "Aufarbeitung" des "Dritten Reiches" und sie versagte auch weitgehend. Neben ihr gab es aber Ermittlungsverfahren der deutschen Justiz, wie auch Ermittlungsverfahren durch die Alliierten, Spruchgerichtsurteile wegen der Organisationsverbrechen und die Verfahren in Nürnberg. Daneben gab es übrigens auch das noch ziemlich unbearbeitete Feld der Wiedergutmachung.)

                                Die meisten Straf- und Ermittlungsverfahren wurden in der Zeit bis 1950 aufgenommen, die Verfahren in der ersten Instanz liefen meist bis 1951 - daher ergibt sich auch die hohe Zahl der Einstellungen. Dass es in sehr vielen Fällen zu Einstellungen gekommen ist, lag dabei am Straffreiheitsgesetz von 1949, welches neben anderem die Einstellung aller Ermittlungsverfahren bedeutete, deren Strafmaß bei sechs Monaten lag.
                                Diese Amnestie hatte übrigens keineswegs die klassischen Funktionseliten im Sinn, denn diese wurden gar nicht angeklagt, da es sich bei den meisten Verfahren um Vorgänge um den 9.11.38, um Übergriffe gegen politische Gegner um 1933 und um Denunziationsprozesse gehandelt hat. In diese Prozesse waren Staatssekretäre des Auswärtigen Amtes oder die Eliten des Nachrichtendienstes eher selten verwickelt. Das Wahlvolk war der Adressat dieser Amnestie.
                                Und das Strafmaß für Verstöße der hier in Frage kommenden Paragraphen lag in den meisten Fällen so um sechs und unter sechs Monaten, so dass das StrFG auch sehr oft gegriffen hat. Im StGB stand z.B. bei leichter Körperverletzung "nicht unter einem Monat" und bei gefährlicher "nicht unter zwei Monaten". Nur schwere Brandstiftung, schwere Körperverletzung und Mord selbstverständlich werden mit mehreren Jahren Zuchthaus bzw. lebenslänglich bestraft. Um dann also diese 157 von 100 000 einzuordnen, muss ich erstmal wissen, wie oft Anklage wegen Mordes erhoben wurde. Waren das 40.000 Mordanklagen, dann wären die 157 ein Witz, das ist wohl war. Oder waren 160 Mordanklagen???

                                Es hat in dieser Frühzeit eben auch viele Staatsanwälte gegeben, die sehr wohl an einer ernsthaften Strafverfolgung interessiert waren, auch wenn man das über die Staatsanwaltschaft der Sechziger vielleicht gar nicht sagen kann. Ich vermute aber, dass Verfahren nach 1955 mit nur ca. 5 bis 10% in die obige Auswertung geflossen sind, da der Löwenanteil eben vorher war.
                                Ich kenne die Grundlagen dieser Berechnung auch, das beruht ürsprünglich auf einer amtlichen Umfrage aus dem 60ern und wurde dann wohl stets akutalisiert.

                                Und deswegen ist das Urteil "die haben jahrelang extra verschleppt" aus dem Material von Greve einfach nicht abzuleiten. Greve vermittelt diesen Eindruck allerdings auch selbst durch die Aussage von "nur" 6.000 Verurteilungen. Ohne eine Erläuterung über die Anklagen und den Zeitraum kann man nicht vernünftig beurteilen, ob das viel oder wenig ist.
                                Republicans hate ducklings!

                                Kommentar

                                Lädt...
                                X