EU-Parlament beschließt massive Überwachung der Telekommunikation
Wer in einem EU-Land Anrufe tätigt, E-Mails verschickt, im Web surft oder andere Dienste im Internet nutzt, muss in Zukunft davon ausgehen, dass seine elektronischen Spuren zwischen sechs und 24 Monate lang gespeichert werden. Die bei den 450 Millionen EU-Bürgern anfallenden gigantischen Informationshalden dürfen Polizeien und Geheimdienste mit Data-Mining-Techniken auf Verknüpfungen zwischen Kommunikationspartnern hin untersuchen. Damit wird potenziell vollständig rekonstruierbar, wer wann mit wem und wie lange kommuniziert und zum Beispiel auch, wer sich wann im Internet aufgehalten hat. Jeder ist damit künftig verdächtig und potenziell im Fadenkreuz der Sicherheitsbehörden.
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Die Abgeordneten haben am heutigen Mittwoch bei ihrer Plenarsitzung in Straßburg eine entsprechende EU-Richtlinie mit einem Block von Änderungsanträgen der christ- und sozialdemokratischen Fraktionen mit relativ breiter Mehrheit angenommen. Insgesamt stimmten 387 Parlamentarier für das Paket der Kompromissanträge, 204 waren dagegen. Bezogen auf die gesamte Richtlinie stimmten 378 Abgeordnete für ihre Annahme, 197 dagegen. Ein Änderungsantrag der Grünen, der die Abweisung des Gesetzesvorhabens erreichen wollte, wurde mit 428 Gegenstimmen abgelehnt. Korrekturvorschläge von Christdemokraten, die eine Kostenübernahme durch den Staat vorsahen, fielen ebenfalls glatt durch. Eine 2. Lesung der Richtlinie ist damit nicht erforderlich. Der parlamentarische Berichterstatter Alexander Alvaro machte seine Drohung wahr und zog seinen Namen von dem abgeänderten Entwurf zurück. Der FDP-Politiker hatte sich für einen anders gelagerten Kompromiss stark gemacht, der die pauschale Bespitzelung der Bürger deutlich entschärft hätte.
Bei den Überwachungsplänen in Brüssel, die der EU-Rat und die EU-Kommission mit Nachdruck im Namen der Terrorismusbekämpfung vorangetrieben haben, geht es prinzipiell um die Speicherung der Verbindungs- und Standortdaten, die bei der Abwicklung von Diensten wie Telefonieren, SMS, E-Mailen, Surfen oder Filesharing anfallen. Mit Hilfe der Datenberge sollen Profile vom Kommunikationsverhalten und von den Bewegungen Verdächtiger erstellt werden. Gemäß einer Einigung im EU-Rat können die Mitgliedsstaaten Telcos verpflichten, die Informationen inklusive IP-Adressen im Normalfall bis zu zwei Jahre lang vorzuhalten. Die Spitzen der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) und der Sozialdemokraten hatten die Ministervorlage gemäß einer vorab bei einem Hinterzimmergespräch erzielten Absprache in eigene Änderungsanträge gegossen. Ein zunächst auch von den beiden großen Fraktionen befürworteter Kompromiss aus dem Innenausschuss, der maximale Speicherfristen bis zu einem Jahr vorsah, war damit aus dem Rennen.
Die heutige Entscheidung schien wegen zahlreicher Proteste von Daten- und Verbraucherschützern, Wirtschaftsverbänden, Zeitschriftenverlegern und Journalistenverbänden gestern noch auf Messers Schneide zu stehen. Die Bürgerrechtsorganisationen "European Digital Rights"-Initiative, der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) und Privacy International hatten noch in der Nacht zum Mittwoch eine Liste mit Abstimmempfehlungen zu den wichtigsten Änderungsanträgen an die Abgeordnetenbüros verteilt. Sie verwiesen darauf, dass der Europäische Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx maximal eine einjährige Frist noch für verhältnismäßig angesehen habe. Alle von der britischen Ratspräsidentschaft angeführten Fälle für eine erfolgreiche Verbrechensbekämpfung mit Hilfe der Datenlager hätten zudem höchstens wenige Monate alte Informationen benötigt.
Im Lauf der gestrigen Debatte hatten sich Abgeordnete quer auch durch die großen Fraktionen geteilter Meinung gezeigt. Laut der finnischen EVP-Abgeordneten Piia-Nora Kauppi dürfte es nicht sein, "dass alle in der Gesellschaft überwacht werden". Sie bezeichnete den Kompromiss als "nicht ausgewogen". Was mit "schweren Straftaten" gemeint sei, werde in dem Papier nicht definiert. Die Konservative warf die Frage auf, ob der Zugriff auf die Datenhalden etwa "auch bei Verstößen gegen das geistige Eigentumsrecht" möglich werde, wie dies die Unterhaltungsindustrie fordert. "Wir wollen Terroristen bekämpfen, aber dann werden plötzlich andere Ziele verfolgt", argwöhnte Kauppi. Ihrer Ansicht nach sind die in das Gesetz eingezogenen Grenzen "künstlich".
In einem internen Memo hatte EU-Justizkommissar Franco Frattini Ende vergangener Woche dargelegt, dass die Mitgliedsstaaten mit dem Papier aus dem Rat in Eigenregie die offiziell eingefügten Begrenzungen bei den aufzubewahrenden Datentypen und den Bedingungen für die Zugangsmöglichkeiten der Sicherheitsbehörden aufbrechen können. Ein Artikel der Richtlinie erlaubt offen die Festsetzung längerer Speicherfristen. Gewahrt werden müssen laut Frattini bei all diesen Abweichungen allein unklare "Prinzipien der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit". Das Ziel der Harmonisierung der Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung im Binnenmarkt ist den Brüsseler Gesetzgebern so aus dem Blick geraten.
Die Auseinandersetzung über die Einführung von Mindestspeicherpflichten von Telekommunikationsdaten zog sich über viele Jahre hinweg. Entscheidende Vorstöße machten die europäischen Strafverfolger unterstützt von ihren Kollegen vom US-amerikanischen FBI und Geheimdiensten bereits seit Ende der 1990er in den so genannten Enfopol-Arbeitsgruppen. Zahlreiche nationale Parlamente wie der Bundestag lehnten die Vorratsdatenspeicherung immer wieder kategorisch ab. Zum Schluss ging alles rasch: Das Gesetzgebungsverfahren könnte als das schnellste aller Zeiten in die EU-Geschichte eingehen, da zwischen der Vorstellung des Richtlinienentwurfs und der entscheidenden Lesung nur drei Monate lagen. Eine ernsthafte Debatte über die pauschale Überwachung fand nicht statt.
Nun müssen voraussichtlich Gerichte klären, inwieweit die Richtlinie Bestand hat. Der irische Justizminister Michael McDowell kündigte an, vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Richtlinie zu klagen. Seiner Auffassung nach muss die Entscheidung über die Maßnahme im Bereich der Inneren Sicherheit vom EU-Rat allein getroffen werden. Hierzulande ist mit Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht zu rechnen: "Es wird grob verfassungswidrig eine flächendeckende Überwachungsinfrastruktur geschaffen", erklärte Nils Leopold aus dem Bundesvorstand der Humanistischen Union. "Die Richtlinie verstößt gegen tragende Strukturprinzipien rechtsstaatlich verfasster Staaten. Sie führt die Zweckbindung und das Übermaßverbot bei der Ausübung staatlicher Gewalt ad absurdum."
Wer in einem EU-Land Anrufe tätigt, E-Mails verschickt, im Web surft oder andere Dienste im Internet nutzt, muss in Zukunft davon ausgehen, dass seine elektronischen Spuren zwischen sechs und 24 Monate lang gespeichert werden. Die bei den 450 Millionen EU-Bürgern anfallenden gigantischen Informationshalden dürfen Polizeien und Geheimdienste mit Data-Mining-Techniken auf Verknüpfungen zwischen Kommunikationspartnern hin untersuchen. Damit wird potenziell vollständig rekonstruierbar, wer wann mit wem und wie lange kommuniziert und zum Beispiel auch, wer sich wann im Internet aufgehalten hat. Jeder ist damit künftig verdächtig und potenziell im Fadenkreuz der Sicherheitsbehörden.
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Die Abgeordneten haben am heutigen Mittwoch bei ihrer Plenarsitzung in Straßburg eine entsprechende EU-Richtlinie mit einem Block von Änderungsanträgen der christ- und sozialdemokratischen Fraktionen mit relativ breiter Mehrheit angenommen. Insgesamt stimmten 387 Parlamentarier für das Paket der Kompromissanträge, 204 waren dagegen. Bezogen auf die gesamte Richtlinie stimmten 378 Abgeordnete für ihre Annahme, 197 dagegen. Ein Änderungsantrag der Grünen, der die Abweisung des Gesetzesvorhabens erreichen wollte, wurde mit 428 Gegenstimmen abgelehnt. Korrekturvorschläge von Christdemokraten, die eine Kostenübernahme durch den Staat vorsahen, fielen ebenfalls glatt durch. Eine 2. Lesung der Richtlinie ist damit nicht erforderlich. Der parlamentarische Berichterstatter Alexander Alvaro machte seine Drohung wahr und zog seinen Namen von dem abgeänderten Entwurf zurück. Der FDP-Politiker hatte sich für einen anders gelagerten Kompromiss stark gemacht, der die pauschale Bespitzelung der Bürger deutlich entschärft hätte.
Bei den Überwachungsplänen in Brüssel, die der EU-Rat und die EU-Kommission mit Nachdruck im Namen der Terrorismusbekämpfung vorangetrieben haben, geht es prinzipiell um die Speicherung der Verbindungs- und Standortdaten, die bei der Abwicklung von Diensten wie Telefonieren, SMS, E-Mailen, Surfen oder Filesharing anfallen. Mit Hilfe der Datenberge sollen Profile vom Kommunikationsverhalten und von den Bewegungen Verdächtiger erstellt werden. Gemäß einer Einigung im EU-Rat können die Mitgliedsstaaten Telcos verpflichten, die Informationen inklusive IP-Adressen im Normalfall bis zu zwei Jahre lang vorzuhalten. Die Spitzen der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) und der Sozialdemokraten hatten die Ministervorlage gemäß einer vorab bei einem Hinterzimmergespräch erzielten Absprache in eigene Änderungsanträge gegossen. Ein zunächst auch von den beiden großen Fraktionen befürworteter Kompromiss aus dem Innenausschuss, der maximale Speicherfristen bis zu einem Jahr vorsah, war damit aus dem Rennen.
Die heutige Entscheidung schien wegen zahlreicher Proteste von Daten- und Verbraucherschützern, Wirtschaftsverbänden, Zeitschriftenverlegern und Journalistenverbänden gestern noch auf Messers Schneide zu stehen. Die Bürgerrechtsorganisationen "European Digital Rights"-Initiative, der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) und Privacy International hatten noch in der Nacht zum Mittwoch eine Liste mit Abstimmempfehlungen zu den wichtigsten Änderungsanträgen an die Abgeordnetenbüros verteilt. Sie verwiesen darauf, dass der Europäische Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx maximal eine einjährige Frist noch für verhältnismäßig angesehen habe. Alle von der britischen Ratspräsidentschaft angeführten Fälle für eine erfolgreiche Verbrechensbekämpfung mit Hilfe der Datenlager hätten zudem höchstens wenige Monate alte Informationen benötigt.
Im Lauf der gestrigen Debatte hatten sich Abgeordnete quer auch durch die großen Fraktionen geteilter Meinung gezeigt. Laut der finnischen EVP-Abgeordneten Piia-Nora Kauppi dürfte es nicht sein, "dass alle in der Gesellschaft überwacht werden". Sie bezeichnete den Kompromiss als "nicht ausgewogen". Was mit "schweren Straftaten" gemeint sei, werde in dem Papier nicht definiert. Die Konservative warf die Frage auf, ob der Zugriff auf die Datenhalden etwa "auch bei Verstößen gegen das geistige Eigentumsrecht" möglich werde, wie dies die Unterhaltungsindustrie fordert. "Wir wollen Terroristen bekämpfen, aber dann werden plötzlich andere Ziele verfolgt", argwöhnte Kauppi. Ihrer Ansicht nach sind die in das Gesetz eingezogenen Grenzen "künstlich".
In einem internen Memo hatte EU-Justizkommissar Franco Frattini Ende vergangener Woche dargelegt, dass die Mitgliedsstaaten mit dem Papier aus dem Rat in Eigenregie die offiziell eingefügten Begrenzungen bei den aufzubewahrenden Datentypen und den Bedingungen für die Zugangsmöglichkeiten der Sicherheitsbehörden aufbrechen können. Ein Artikel der Richtlinie erlaubt offen die Festsetzung längerer Speicherfristen. Gewahrt werden müssen laut Frattini bei all diesen Abweichungen allein unklare "Prinzipien der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit". Das Ziel der Harmonisierung der Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung im Binnenmarkt ist den Brüsseler Gesetzgebern so aus dem Blick geraten.
Die Auseinandersetzung über die Einführung von Mindestspeicherpflichten von Telekommunikationsdaten zog sich über viele Jahre hinweg. Entscheidende Vorstöße machten die europäischen Strafverfolger unterstützt von ihren Kollegen vom US-amerikanischen FBI und Geheimdiensten bereits seit Ende der 1990er in den so genannten Enfopol-Arbeitsgruppen. Zahlreiche nationale Parlamente wie der Bundestag lehnten die Vorratsdatenspeicherung immer wieder kategorisch ab. Zum Schluss ging alles rasch: Das Gesetzgebungsverfahren könnte als das schnellste aller Zeiten in die EU-Geschichte eingehen, da zwischen der Vorstellung des Richtlinienentwurfs und der entscheidenden Lesung nur drei Monate lagen. Eine ernsthafte Debatte über die pauschale Überwachung fand nicht statt.
Nun müssen voraussichtlich Gerichte klären, inwieweit die Richtlinie Bestand hat. Der irische Justizminister Michael McDowell kündigte an, vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Richtlinie zu klagen. Seiner Auffassung nach muss die Entscheidung über die Maßnahme im Bereich der Inneren Sicherheit vom EU-Rat allein getroffen werden. Hierzulande ist mit Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht zu rechnen: "Es wird grob verfassungswidrig eine flächendeckende Überwachungsinfrastruktur geschaffen", erklärte Nils Leopold aus dem Bundesvorstand der Humanistischen Union. "Die Richtlinie verstößt gegen tragende Strukturprinzipien rechtsstaatlich verfasster Staaten. Sie führt die Zweckbindung und das Übermaßverbot bei der Ausübung staatlicher Gewalt ad absurdum."
tja da geht wieder ein großes Stück Freiheit dahin,
aber wen kratzt das heute schon noch?
sicher nicht die breite Masse, die wird mit billigen Verblödungsschrott im Fernsehen ruhig gestellt
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