Steven Moffat hat wieder zugeschlagen! Nachdem er uns die beste Doctor-Who-Staffel seit langem bescherte, hat der vor allem für die grandiose Comedy-Serie "Coupling" sowie die Adaption des Jekyll-und Hyde-Stoffes bekannte britische Drehbuchautor und Showrunner einen weiteren Klassiker in die Gegenwart geholt: Sherlock Holmes.
Und bei aller Liebe für Guy Richie, bei aller Verehrung für Robert Downey Jr.: *So* in etwa hätte der Kinofilm aussehen müssen!
Der Militärarzt Dr. John Watson kehrt nach einer Verletzung im Afghanistan-Krieg nach London zurück und wird von einem alten Bekannten zwecks WG-Gründung mit dem absonderlichen aber mit genialen kriminologischen und deduktiven Fähigkeiten ausgestatteten Sherlock Holmes bekannt gemacht. Eben soll noch geklärt werden, was Watson vom Violinenspiel hält und wer welches Schlafzimmer in der Baker Street 221b bezieht, da wird der gute Doktor, der mit seiner Zeit sowieso nicht allzu viel anzufangen weiß (seine Psychiaterin rät dazu, ein Blog zu schreiben), kurzerhand von Holmes zu dessen Assistenten ernannt, denn eine mysteriöse Serie von scheinbaren Selbstmorden versetzt London in Angst und Schrecken ...
Wie schon bei "Jekyll" hat Moffat die Handlung konsequent in die Gegenwart geholt. Sein Sherlock Holmes verschickt Kurznachrichten, checkt zwecks Identifikation einer Leiche mal schnell das Wetter im Vereinigten Königreich auf seinem Smartphone und ist überhaupt der modernen Technik sehr zugetan. Watson hingegen kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus und hat zudem mit dem Trauma zu kämpfen, plötzlich ein Kriegsinvalide zu sein. Wer das dick aufgetragen findet, sollte mal die fiktive Biographie von Doyles Original-Watson nachschlagen. Denn auch der wurde schon in einem Afghanistan-Krieg verwundet, eine Parallele die verblüfft und zugleich nachdenklich macht.
Ursprünglich war "Sherlock" als typische BBC-Serie mit einer Laufzeit von etwa 60 Minuten pro Folge geplant. Doch dann wollte das Network lieber eine Reihe von 90minütigen TV-Filmen, der bereits fertig gedrehte Pilot wanderte in den Giftschrank und drei neue Abenteuer wurden produziert. Diese werden nun im Wochenrythmus ausgestrahlt, das erste am vergangenen Sonntag, die verbleibenden zwei am nächsten und am übernächsten Wochenende.
Wer den jünsten Kinofilm zu actionlastig fand, wird vielleicht mit dieser Fassung glücklich. Es fehlt zwar die victorianische Kulisse, die Modernisierung ist aber wie schon bei "Jekyll" mehr als gelungen und spätestens wenn Holmes anhand winziger Details Herkunft und Lebenswandel der ersten Leiche herleitet, stellt sich der Geist von Doyles Detektivgeschichten ein. Moffat selbst meint dazu: Conan Doyle's stories were never about frock coats and gas light; they're about brilliant detection, dreadful villains and blood-curdling crimes - and frankly, to hell with the crinoline. Other detectives have cases, Sherlock Holmes has adventures, and that's what matters.
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